Wer Interesse an der unmittelbaren Nachkriegszeit in Bremen hat findet dazu grund-legende und umfangreiche Informationen in der historischen Dissertation von Anna-Maria Perdon „Amerikaner vor Ort“, die 2010 als Band 70 der Veröffentlichungen aus dem Staatsarchivs Bremen erschienen ist.
Bremen war von 1945 bis 1949 amerikanische Enklave, eine amerikanische Insel inmitten des von der britischen Armee besetzten Nordwestdeutschlands. Dass der Bremer Hafen nach dem Zweiten Weltkrieg das logistische Drehkreuz der Amerikaner in Europa war, machte Bremen zu einem Besatzungsstandort mit besonderem Stellenwert. Hier wurde die Wechselseitigkeit der Beziehungen zwischen Besatzern und Besetzten deutlicher als an anderen Orte, bilanziert die Autorin. Im Hafen profitierten Bremer bald von den Aufbau- leistungen der Amerikaner, die einerseits deren Eigeninteressen dienten und andererseits die guten Vorkriegsbeziehungen beider Völker wieder lebendig werden ließen. (S. 370 f)
Das erste Kapitel der chronologisch strukturierten Studie setzt bereits bei der amerika- nischen Planung der Besetzung ein, die seit Dezember 1944 mit der Bildung einer Task Force „United State Ports and Bases: Germany“ begann. Es handelt von den Wegen, auf denen die amerikanischen Militärs Bremen erreichten, von der Lage, in der die amerika-nische Militärmacht die Stadt und seine Bevölkerung vorfand, und reicht bis zur Etablierung der Besatzungsherrschaft und der Gründung des Bundeslandes Bremen.
Im zweiten Kapitel werden institutionelle und offzielle Kontakte thematisiert: Die schwierigen Bedingungen unter denen der Neuaufbau begonnen wurde, der Hafen als „Vorort von New York“, die Entnazifizierung einschließlich der Möglichkeiten die anfangs strengen Regelungen zu umgehen, das Fraternisierungsverbot und die kulturpolitischen Leistungen der Amerikaner, wie der Aufbau des Amerika-Hauses.
Der Alltagsgeschichte widmet sich die Autorin schließlich im letzten Kapitel. Sie untersucht hier drei zentrale Orte: Die Kneipe und Musikkultur als Rückzugsort, die Straße als öffentlicher Begegnungsraum von Besatzern und Besetzten war Ort für Konflikte zwischen beiden Akteursgruppen, der Kontakte von GIs zu Bremerinnen, Tummelplatz für Kinder, Schwarzmarkt auch in umfangreichem Ausmaß, Gerüchte. Drittens nimmt sie das beschlagnahmte Wohnhaus ins Visier, das aufgrund der massiven Wohnraumknappheit neben der Entnazifizierung zu den größten Konflikten zwischen Siegern und Besiegten führte.
Anna-Maria Pedron lotet die wesentlichen Aktionsbereiche aus und analysiert sie konsequent in Bezug auf die Beziehung zwischen Besatzern und Besetzern. Damit ermöglicht sie, dass wir uns heute ein wesentlich deutlicheres Bild der Nachkriegszeit in Bremen machen können als bisher. Die Historikerin leistet mit ihrer gründlichen und gut lesbaren Dissertation einen wichtigen Beitrag zur Zeitgeschichte Bremens.
Die Qualität der Arbeit wurde von der Wittheit zu Bremen gewürdigt: Die Studie von Anna-Maria Pedron wurde mit dem Bremer Preis für Heimatforschung 2011 ausgezeichnet.
Die Publikation umfasst 404 Seiten, sie enthält eine umfangreiche Quellen- und Literaturliste, Kartenmaterial, 12 Abbildungen und ein Personenregister. Sie ist im Staatsarchiv Bremen erhältlich und im Handel bestellbar. ISBN 978-3-925729-65-2
Ein Interview mit Anna Maria Pedron gibt es von buten und binnen hier klicken.