Rechtliche Grundlage zur Bebauung von Walles „grüner Lunge“ fehlt – Hintergrundinfos

dieser Post ist eine leicht üerarbeitete Fassung meines Beitrags, der seit anfang auf dem Blog findorff aktuell von Mathias Rätsch zu lesen ist.


Im „Streit“ um die Idee der SPD, Teile der Waller Feldmark, die „grüne Lunge“ Walles, mit Einfamilien zu bebauen, ist es sinnvoll, sich die Situation vor Ort genauer anzusehen. Hier habe ich einige allgemeine Hintergrundinformationen zusammen getragen, die ihr gerne ergänzen könnt. Schreibt mit einfach einen Kommentar.

Von den 16.000 Kleingärten in Bremen (Stadt) befinden sich etwa 4.000 im Bremer Westen rechts und links vom Waller Fleet. Die Gartengrundstücke sind überwiegend im Besitz der Stadtgemeinde Bremen, ein kleiner Teil gehört privaten Eigentümern (»Bauernland«) und der Evangelischen Kirchengemeinde. Sie alle verpachten ihre Flächen teilweise seit 100 Jahren an Kleingartenvereine. Geschaffen wurden viele der Gärten auch in Walle in der Zeit des Mangels und des Hungers während des Ersten Weltkrieges. Die Stadt Bremen legte sehr viele der Kleingärten systematisch und in sehr großer Zahl zur Selbsthilfe der Stadtbevölkerung an. Daneben befindet sich eine unbekannte Anzahl von sogenannten »Eigenlandparzellen« in Privatbesitz. Es gibt mehr als zehn Kleingärtnervereine, in denen sich die Kleingärtner zur Verwaltung (Pachtzahlung/ gemeinsame Wasserversorgung/ Wegepflege usw.) und zur Vertretung ihrer Interessen nach außen zusammengeschlossen haben. Sie gehören dem Dachverband Landesverband der Gartenfreunde Bremen e.V. an. Zur tatsächlichen Ausnutzung der Kleingärten in der Waller Feldmark gibt es unterschiedliche Angaben. Ein Bündel von Gründen führte dazu, dass insgesamt etwa 350 Kleingärten in Bremen ungenutzt brach liegen – viele davon befinden sich im Bremer Westen. (Zahlen nach Landesverbands der Gartenfreunde Bremen e.V.) Es liegen also nicht 30 Prozent, sondern weniger als 10 Prozent der Gärten in der Feldmark brach.

Die Fleetkirche am Storchenweg steht leider seit Sommer 2016 ungenutzt da. Foto: Kirsten Tiedemann

Das Grüngebiet ist vielfältig

Im Herzen des weitläufigen Parzellengebietes befindet sich eine Kirche – die Fleetkirche am Storchenweg. Sie dürfte bundesweit einmalig sein, wird aber leider seit letztem Sommer nicht mehr genutzt. [by the way: Haben sich inzwischen eigentlich Interessenten oder Käufer für die einmalige Immobilie gefunden?]  In der Waller Feldmark sind neben den einer vielfalt „gewöhnlicher“ Kleingärten ganz unterschiedliche Initiativen etabliert und willkommen: Der Internationale Garten Walle unterstützt beispielsweise Menschen verschiedener Kulturen sich miteinander zu verbinden. In direkter Nachbarschaft dazu befindet sich WUPP, das Waller Umweltpädagogik Projekt. Im Milanweg ist der »Garten jEden« eine gut funktionierende Beschäftigungsinitiative. Im hinteren Bereich gelegen ist eine kleiner landwirtschaftlicher Betrieb und noch weiter zur Autobahn hin befindet sich ein Ponyhof. Der Waller Wassersportverein e.V. hat sein Bootshaus am Fleet. Obstbaumwiesen sind hier und da angelegt worden. In diesem weitläufigen grünen Gebiet sind in einigen Kleingärten die letzten Kaisenhäuser zu entdecken. Einige dieser kleinen Wohnhäuser sind (legal) bewohnt, andere werden als Gartenlauben und wieder andere stehen leer. Sie alle haben ihren Ursprung in der massiven Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg. An die Geschichte dieser ungewöhnlichen Gartenwohnkultur und ihre tatkräftigen Bauherren und deren Familien erinnert das Kaisenhausmuseum im Behrensweg. Umfangreiche Informationen findet ihr außerdem in meinem Buch „Mehr als ein Dach über dem Kopf – Bremens Kaisenhäuser„, das im Weser-Kueire erhältlich ist. Hier klicken zur online Ansicht und Bestellung.

Die Besitzerin dieses intakten Kaisenhauses in der Waller Feldmark schenkte mir zum Abschied einen wunderbaren Blumenstrauß aus ihrem Garten. Foto: Kirsten Tiedemann

 

Naherholungspark Bremer Westen – Der Plan für das Gebiet ab 2016

Für die gesamte Fläche liegt ein Plan vor, der vorsieht, das neue »Naherholungspark Bremer Westen« zu entwickeln: Bereiche mit Kleingärten, Wochenendhausgebieten, Biotope mit Obstbaumwiesen, Radwege und Flächenangebote zum Grillen u. ä. und auch Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen sollen hier ihren Platz erhalten. In die partizipative Entwicklung dieses Plans waren auch Kleingartenvereine und weitere Akteure aus dem Gebiet und dem Stadtteil einbezogen worden. Das Ergebnis wurde im Oktober 2016 öffentlich vorgestellt. Mit der Umsetzung ist bereits begonnen worden, beispielsweise kauft die Stadt seit Jahren leer gefallen Parzellen auf, um einen Radweg anzulegen und eine zusätzliche, von manchen als überflüssig angesehene, außerordentlich tragfähige Brücke über das Fleet wurde bereits fertig gestellt. Der Weser-Kurier zum Naherholungspark Bremer Westen hier klicken.

Was sieht der Flächennutzungsplan vor?

Im gültigen Flächennutzungsplan von 2014 findet die seit langem angekündigte Entwicklung ihre rechtliche Grundlage. Der Waller Feldmark ist der Status »Dauerkleingartengebiet« aberkannt worden und wird nun als »Gestaltungsraum Kleingärten, Freizeit und Natur Bremer Westen« ausgewiesen. Der gültige Bebauungsplan weist keine Baufläche aus. So oder so gibt es aktuell keine Rechtsgrundlage, um in der Waller Feldmark zu bauen. Um das zu ändern bedürfte es einer politischen Mehrheit, die es in der Bremischen Bürgerschaft zurzeit nicht gibt. Mehr Details im Flächennutzungsplan Bremen.

Aus diesem verlassenes Kaisenhaus in der Waller Feldmark ließe sich sicherlich ein feines Gartenhaus machen. Foto: Kirsten Tiedemann

Betonierung von Kleingarten-Gebieten ist kontraproduktiv – Die Position der Grünen

Die Pressemitteilung der Bremer Grünen macht deutlich, dass der Streit um die Bebauung von Kleingärten in der Waller Feldmark, dem Naherholungspark Bremer Westen, keineswegs entschärft ist. Im Gegenteil. Als Beitrag zur Diskussion findet ihr hier den Text der Pressemitteilung.

        Grüne: Betonieren von Kleingarten-Gebieten ist kontraproduktiv

Die Grünen-Fraktion lehnt den SPD-Vorstoß, Klein-gartengebiete zu bebauen, als kontraproduktiv ab. Die Forderung verwundert vor dem Hintergrund, dass das Bündnis für Wohnen unter der Leitung von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) erst jüngst eine Bauflächenreserve für 27.000 Wohneinheiten inklusive Einfamilienhäusern festgestellt hat. Zudem wird gerade das 4. Wohnraumförderprogramm auf den Weg gebracht. Dazu erklärt die Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer: „Bremen muss fraglos neuen Wohnraum schaffen und tut dies auch. Wir müssen uns im Sinne der Familien darauf konzentrieren, die gut 220 vorhandenen Flächen zu entwickeln statt sich in unausgegorenen Plänen zu verheddern. Wie man in große Parzellengebiete zwischen Autobahn und Eisenbahn gegen den Willen der Kleingärtner und wider den auch von der SPD beschlossenen Flächennutzungsplan Neubauten einpflanzen will, ist uns schlicht schleierhaft. Wir lehnen eine Bebauung von Kleingärten ab. Gerade in einer Großstadt sind grüne Parzellengebiete für ein lebenswertes Wohnumfeld unersetzlich. Brach liegende Areale in Kleingartengebieten eignen sich allenfalls als Kompensationsflächen für die vielen Bauvorhaben, z.B. indem dort Ersatzpflanzungen für gefällte Bäume erfolgen. Die Natur in Bremen ist ein Pfund, das die Attraktivität dieser Stadt ausmacht. Neben guten Naherholungsmöglichkeiten spielen insbesondere die Versorgung mit Kita-Plätzen und gute Schulen für Familien eine wichtige Rolle. Da gilt es besser zu werden. Vor allem aber ist der Preis für Neubauten entscheidend. Wir müssen verstärkt dafür sorgen, dass Familien sich die Häuser und Wohnungen in Bremen auch leisten können.“

Maike Schaefer

 

 Quelle: Pressemitteilung Bündnis 90/Grüne Fraktion Bremen | 17.05.2017

Streit über Bebauung von Kleingärten in Walle entschärft?

Ist der Streit um brach liegende Kleingärten in der Waller Feldmark, die der SPD zufolge zu Bauland für Einfamilienhäuser werden sollen, tatsächlich entschärft? Der Landesverband der Gartenfreunde Bremen e.V. wurde inzwischen durch BjörnTschöpe und Jürgen Pohlmann, beide MdBB SPD, über den Vorstoß ihrer Fraktion, verwaiste Parzellen in der Feldmark als Bauland für Einfamilienhäuser auszuweisen, informiert und hat seine ablehnende Haltung geändert. Der Landesverband der Gartenfreunde Bremen e.V. reagiert nun positiv auf den Vorschlag. So liest man im Weser-Kurier hier. Welche wichtigen Argumente waren für den Wandel der Einstellung ausschlaggebend? Welche gehaltvollen Versprechen sind dem Verband gemacht worden, dass seine ablehnende Haltung innerhalb kurzer Zeit in Zustimmung umgeschlagen ist? Dazu finden wir keine Informationen in der Zeitung. Was sagen die Vorstände der örtlichen Kleingartenvereine zum Wandel der Meinung ihrer Interessenvertretung? Haben die lokalen Vorstände ihre Position ebenfalls geändert?

SPD und CDU befürworten die Idee einer Bebauung. Soll hier eine Schnittmenge für eine potentielle große Koalition in Bremen ausgelotet werden? Wie stehen die Grünen zur Idee solch einer Wohnbebauung? Was meinen die PolitikerInnen von DIE LINKE? [Nachtrag: Nur CDU unterstützt SPD-Vorstoß im Weser-Kurier] Ist der Beirat in Walle, der sich erfolgreich für den wohnortnahen Naherholungspark Bremer Westen für Walle und Gröpelingen engagiert hat, über diesen Vorstoß informiert?

Kaum einer weiß, dass die Waller Feldmark mit dem neuen Flächennutzungsplan vom 4.12.2014 nicht mehr als Dauerkleingartengebiet, sondern als „Gestaltungsraum Kleingärten, Freizeit und Natur Bremer Westen“ ausgewiesen worden ist. Das heißt: a) der besondere Schutz für Dauerkleingartengebiete durch das Bundeskleingartengesetz entfällt für dieses Gebiet, b) der Landesverband der Gartenfreunde Bremen e.V. hat nur bedingtes Mitsprache- bzw. Einspruchrecht und c) es bedarf einer politischen Mehrheit, um die rechtliche Voraussetzung für die Umwidmung in Bauland zu schaffen.

Fragen – Fragen – Fragen

Ich frage mich, wie die Stadt Bremen die Erschließung mit Straßen, Kanal, Trinkwasser, Strom usw. für ein paar Einfamilienhäuser finanzieren will? Was tun mit/gegen den hohen Grundwasserspiegel? Braucht die Stadt die Flächen nicht mehr als Ausgleichsflächen für anderweitige Baumaßnahmen, die in der Waller Feldmark angelegt werden sollten?

Angesichts dieses Vorstoßes sollte man unbedingt fragen, ob sich die letzten existierenden intakten Kaisenhäuser nun als Wohnhäuser dauerhaft legalisieren lassen!

Ist die Initiative anzusehen als Beitrag zum beginnenden Wahlkampfs für die anstehende Bundestagswahl? Soll das Sommerloch der Ferienzeit gefüllt werden? Will die SPD vorfühlen, wie die Waller Bevölkerung und (organisierte/unabhängige) Gartenfreunde auf einen derartigen Vorstoß reagieren?

Lest die Zeitungsartikel selbst, die im Folgenden verlinkt sind, und gebt eure Einschätzungen und Fragen im Weser-Kurier oder gerne auch hier auf meinem Blog als Kommentare ab.

„Streit über Kleingärten entschärft“ von Jürgen Theiner im Weser-Kurier 23.6.2017 mit zahlreichen kritischen Leser-Kommentaren zum Thema

Kleingärtner halten nichts von SPD-Vorstoß“ von Kristin Hermann im Weser-Kurier 28.5.2017

Nur CDU unterstützt SPD-Vorstoß“ von Jürgen Theiner im Weser-Kurier am 17.5.2017

Außerdem:

„Können brachliegende Kleingärten bebaut werden?“ Kleine Anfrage der CDU an die Bremische Bürgerschaft vom 13.6.2017

Wie wird die Pflege von Rahmengrünflächen in den Kleingartengebieten künftig geregelt? Kleine Anfrage der FDB-Fraktion an die Bremische Bürgerschaft vom 23.6.2017 (Nachtrag)

Und ein paar Infos:

„Keine Rechtsgrundlage für die Bebauung“ ist ein Beitrag von mir mit Informationen zu den verabschiedeten städtischen Plänen für die Waller Feldmark als Naherholungsgebiet und zum gültigen Flächennutzungsplan. Er befindet sich auf Findorff aktuell seit Anfang Juni 2017.

 

Foto: Kirsten Tiedemann

 

Bremen – grüne Stadt der Zukunft? Urbanes Grün als Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung [Tipp]

Gerne mache ich auf folgende Veranstaltung in der Architektenkammer Bremen am 14.6.2017 aufmerksam, die die Zukunft des Grüns in der Stadt im Allgemeinen und speziell in Bremen in den Blick nehmen wird.

„Mit dem neuen Weißbuch Grün in der Stadt hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) eine umfassende Strategie zur nachhaltigen Entwicklung von urbanen Grün- und Freiräumen in der Stadt vorgelegt. Das Weißbuch nennt konkrete Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmöglichkeiten für mehr Grün und vielfältige Ausprägungen in unseren Städten. Es kann direkt beim Ministerium heruntergeladen und bestellt werden. Näheres siehe hier.

Eine ausführliche inhaltliche Ankündigung findet Ih/ finden Sie auf der Website des Bündnisses für eine lebenswerte Stadt – grünes Bremen.

Die Veranstaltung stellt zur Debatte, wie diese Ansätze auf das Land Bremen übertragen werden können und benennt Handlungsfelder und Fallbeispiele.

Programm:

17:00 Uhr Begrüßung

  • Ronny Meyer, Staatsrat beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen

17:15 Uhr Vorstellung Weißbuch “Grün in der Stadt“

  • Prof. Dr. Hagen Eying, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)

17:45 Uhr Entwicklung grüner Strukturen der Stadtlandschaft – Potentiale und Handlungsbedarf

  • Dirk Hürter, Referatsleiter, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen

Diskussion mit Impulsen aus Sicht von 

– Gesundheit / Soziales 

  • Prof. Sabine Baumgart, TU Dortmund / BPW baumgart+partner

– Sport und Freizeit

  • Ulrich Barde, Leiter Sportgarten Bremen

– Naturschutz / Biodiversität 

  • Martin Rode, BUND Bremen

– Planung / Bau

  • Gotthard Storz, BDLA Niedersachsen / Bremen

– Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)

  • Prof. Dr. Hagen Eying

– Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen

  • Ronny Meyer, Staatsrat

Moderation:

  • Christoph Theiling, Architektenkammer/ Bündnis für eine lebenswerte Stadt

Im Anschluss wird herzlich eingeladen zum einem „Get together“ bei Imbiss und Getränken.

Eine Veranstaltung des Bündnis für eine lebenswerte Stadt – grünes Bremen und der Architektenkammer Bremen in Kooperation mit dem Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Niedersachsen-Bremen e.V., dem BUND Bremen und dem BDLA Niedersachsen-Bremen“

Mittwoch, 14. Juni 2017, von 17:00 – 20:00 Uhr

Veranstaltungsort: Architektenkammer / Ingenieurkammer Bremen

Geeren 41-43, 28195 Bremen

Die Teilnahme ist frei.

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Herrenlose Tasche in Waller Feldmark: Polizeieinsatz

Keine Ruhe im Parzellengebiet: Eine herrenlose Tasche sorgte laut Weser-Kurier heute in den frühen Morgenstunden in der Waller Feldmark für einen Polizeieinsatz. Nachdem die Meldung der BSAG über die Tasche, die an der Bushaltestelle Hohweg stehen würde, kurz vor sechs Uhr bei der Polizei eintraf, rückte eine Spezialteam aus und sperrte vorsichtshalber das umliegende Parzellengebiet. Um 10 Uhr wurde die Sperrung aufgehoben.

Die Polizei teilte mit, dass sich in der Tasche Spielzeugautos befunden haben.

Die Nachricht schrieb Kristin Hermann im Weser-Kurier online am 3.6.2017